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Category: Story

Und es bleibt trotzdem ein Abenteuer – Interview aus dem Reimmichlkalender

Vom Mädchen, das auszog, seinen Traum zu verwirklichen. Als reife Frau sah sie, dass Träumen reich beschenkt. Interview mit der Zillertaler Ärztin Maria Schiestl, kurz vor ihrem letzten Aufenthalt in Kenia. Völlig unerwartet starb sie in Nairobi, weit weg von ihrem Krankenhaus in Entasekera. Die Erinnerung an die mutige Frau lebt.

 

Maria Schiestl, Erst Lehrerin, dann das lang ersehnte Medizinstudium. Lebt und arbeitet bei den Loita-Maasai in Kenia. Aber die Heimat blieb immer das Zillertal. Geboren 1952 als ältestes von sieben Geschwistern am Bergbauernhof in der Ramsau. Foto: Gerhard Berger

Der Blick auf Ihre Kindheit: Welches sind Erlebnisse, die Sie ein ganzes Leben lang in der Erinnerung begleitet haben?

Ja, da gibt es viele Erinnerungen. Was für mich faszinierend war, ist das Lesen Lernen, Schule Gehen, weil sich da eine ganz neue Welt aufgetan hat. Ich habe mich nicht leicht getan mit dem Lesen. Meine Schwester nach mir, die war da viel schneller. Die hat das Buch auswendig können. In der Schule hat man erst erkannt, dass ich ein Augenproblem hatte und mit der Brille ist dann alles leichter gegangen.

Für mich war am Anfang die Welt grau. Ich habe sozusagen in einem Kokon gelebt als Kind auf dem Bauernhof, gesehen habe ich nicht viel. Und so war Lesen absolut faszinierend für mich. Ich habe alles gelesen, was herumgelegen ist. Der erste Lesestoff waren diese Missionshefte, die unsere Mama abonniert hatte.

Diese Lektüre war ja auch Anlass, den Traum von Afrika zu entwickeln. Welche Bilder waren das?

Man liest diese Geschichten und da geht es nicht um ein konkretes Bild. Ich hatte überhaupt keine Ahnung – ich bin auf einem Bergbauernhof aufgewachsen. Da gibt es Landkarten in der Schule, aber sonst nichts. Heute entstehen Bilder durchs Fernsehen. Ich habe nur gewusst aus diesen Geschichten, wie es sein könnte. Diese Konkretisierung kam erst viel später. Als Kind träumt man ja. Man beobachtet einen Käfer auf dem Misthaufen, der in seiner kleinen Welt dahin krabbelt. Ich bin auch in meinen kleinen Welt halbblind gekrabbelt. So ist dieser Traum entstanden – die große weite Welt. Aber dieses Afrika ist zu mir gekommen durch diese Geschichten.

Die Welt am Bergbauernhof hat sich das erste Mal ein großes Stück erweitert, als Sie nach Zams an die Schule kamen. Diese Erweiterung war nicht immer ganz einfach: im Internat, weg von zu Hause, auch strenge religiöse Vorgaben.

Diese Jahre habe ich durchgestanden, durchgelitten, immer in dem Bewusstsein, ich muss das schaffen, weil es der nächste Schritt zu meinem Ziel ist. Natürlich, nach acht Jahren Volksschule ganz viel Neues, das war nicht einfach. Aber da konkretisierten sich die Dinge. Da erfragt man mehr über die Welt, dann fängt man schon viel konkreter an zu träumen. Gymnasium, dann werde ich einen Beruf lernen. Dann habe ich mich erkundigt, was es bedeuten würde, Medizin zu studieren, was die Voraussetzungen sind.

Aber ich bin ja nicht allein auf der Welt gewesen, ich habe sechs Geschwister. Der Vater war verstorben, da muss man Erwartungen bremsen. Man wird immer erinnert: Du bist die Älteste, du hast Verantwortung, du musst mit gutem Beispiel vorangehen. Als ich meinem Onkel und Vormund eröffnete, ich würde gern Medizin studieren, hat er gesagt: Das brauchst du gar nicht denken, geschweige denn sagen. Du wirst Lehrerin. Jetzt wird es Zeit, dass Geld hereinkommt.

Sie sind Lehrerin geworden. Haben Sie das Lernen als ein Geschenk erlebt?

Ja, das war es. Ich habe immer gedacht, das ist ein Ziel, das möchte ich gerne. Dass ich das Gymnasium geschafft habe und dann die Lehrerakademie – das hat mir irrsinnig getaugt. Ich habe aber vom ersten Augenblick an in der Akademie und in der Lernpraxis gewusst: Das ist sicher ein Job, den ich nicht bis zur Pensionierung machen werde. Obwohl ich gerne Lehrerin war, ich habe eine gute Zeit erwischt. Ich bin so ein Mensch, wenn ich einmal mitten drin bin, dann mache ich das mit Leib und Seele. Aber ich habe immer Augen und Ohren offen gehalten, alles in mich aufgesogen.

Natürlich habe ich mich dann auf einer anderen Ebene mit Entwicklungspolitik beschäftigt, nicht diesen Gedanken der Mission, also der Missionierung. Da habe ich einen ganz anderen Zugang gefunden zu den Geschichten aus der Kindheit. Das war eine andere Kirche. Da ist in den 60er-Jahren die Entwicklungspolitik dazugekommen. Nach dem Konzil, das ich als Kind bewusst erlebt habe, haben sich neue Welten aufgetan. Da hat man einen anderen Zugang gefunden.

Was hat Sie fasziniert an dieser neuen Gedankenwelt? Warum hat Sie das als junge Frau so angesprochen?

Begegnung mit anderen Kulturen, ohne dass man sie abändern will. Man gibt eine Zeitspanne seines Lebens, lässt sich auf dieses Abenteuer ein. Es war eher zufällig, dass ich ein Plakat des Österreichischen Entwicklungsdienstes (ÖED) entdeckte. Da meldete ich mich. Die haben das Wort Abenteuer nicht hören wollen, aber es ist trotzdem eines. Es ist ein Abenteuer auf der Reise zu anderen Menschen und auch in sich hinein, in sich selber. Da hat man viele Lehrer gesucht. An den meisten Schulen in Afrika hat es ja zuerst kaum gebildete Lehrer gegeben, vor allem in Kenia, wo ich dann hingekommen bin.

Wie bereitet man sich auf diese Aufgabe vor? Ankommen, die ersten Begegnungen, das erste Zurechtfinden in der neuen Aufgabe?

1978 war es soweit. Da habe ich Bescheid gekriegt, dass ich im Herbst einen dreimonatigen Vorbereitungskurs beim ÖED in Mödling besuchen dürfe. Wie es in meinem Leben ist, viele dieser Träume habe ich in mir selber geträumt, habe vieles nicht artikulieren können. Da habe ich das plötzlich in der Familie artikulieren müssen, was ich heimlich geplant hatte. Das war eine kleinere Krise im großfamiliären Rat. Aber mein Onkel hoffte wohl, dass sich nach dem Kurs die Wogen glätten würden und die Besinnung käme.

In Mödling war das afroasiatische Institut angeschlossen. Da waren Inder, da waren Afrikaner. Das war der erste Kontakt auf Augenhöhe mit Afrikanern. Was ich gleich gelernt habe, dass es Unterschiede gibt in allen afrikanischen Kulturen und Volksgruppen. Das war schon einmal eine ganz, ganz tolle Vorbereitung.

Die erste Flugreise ist mir noch in Erinnerung. Ich bin danach ganz viel geflogen, aber das war wirklich das absolute Abenteuer – gelandet in Kenia. Da ist mir diese warme, wohlige Luft entgegengekommen. Ich habe gewusst, da bin ich daheim. Der Geruch der Erde, das hat mich erinnert an den Frühling daheim, wenn wir umgebaut haben. Das war das Gefühl, jetzt bin ich daheim, jetzt bin ich angekommen.

Ich bin nach Narok in Richtung Maasai Mara gefahren. Das war eine gemischte Tagesschule im Maasai-Land, da war ich die erste Europäerin. Da waren nur Männer an der Schule. Die Schüler hatten eine Riesenfreude, vor allem für die Mädchen, weil endlich eine Frau da war. Es hat keine Berührungsängste gegeben.

Dann bereitet man sich vor. Ich habe schon gewusst, welche Fächer ich unterrichten würde. Am Anfang war es eine zähe Eingewöhnungsphase. Der Unterricht war ja in Englisch. Ich habe daheim auch Englisch unterrichtet, aber wenn man ein Wort nicht erklären konnte, dann hat es immer die deutsche Übersetzung gegeben. Jetzt plötzlich muss man ein Wort auf Englisch erklären. Ich habe verschiedene Fächer unterrichtet, sogar Physik, Geografie – alles, wo jemand gebraucht wurde. Für die Mädchen habe ich einen Hauswirtschaftsklub begonnen.

In der Maasai-Sprache ist das Wort für Frau und Kind dasselbe Wort. Wie sieht das Rollenbild heute aus?

Die Frau ist Besitz des Mannes. Neuer sind Schulbildung und dass Frauen nicht den traditionellen Weg gehen. Aber nach der Tradition ist es so: Ein Mädchen muss von ihren Müttern – also der Mutter, den Co-Frauen ihrer Mutter und von der Großmutter – alles das lernen, was sie an Arbeiten zu bewältigen hat: Wasser und Holz holen, Haus bauen, Schmuck machen, Kühe melken, auf die Kinder schauen, Haus verputzen und all diese Dinge. Wenn sie verheiratet ist, dann geht das weiter. Sie baut ihr eigenes Haus, dann kommen die Kinder. Die Frauen als Besitz des Mannes, das ist die kulturelle Bürde, das akzeptieren die Maasai-Frauen so, wie es ist, weil es immer so war. Das wird nicht hinterfragt, das wird auch nicht angezweifelt, ob das richtig ist.

Nur die Schulbildung ändert das, denn Schulbesuch ist Pflicht. Jetzt werden die Leute angehalten, Kinder in die Schule zu schicken. Es wird noch nicht gestraft. Aber die Eltern müssen sich zumindest Gedanken machen, wenigstens zwei Buben und ein Mädchen vielleicht oder zwei in die Schule zu schicken. Durch die Polygamie gibt es viele Kinder und mit der Bildung kommt neues Gedankengut in die Familien.

Ihr Motto lautet, wenn man eine Frau ausbildet, dann verändert man eine Nation. Wie ist diese Aussage zu verstehen?

Eine Gesellschaft, wo man die eine Hälfte vernachlässigt, im Dunkeln lässt – die kann sich nicht entwickeln, die stagniert. Es sind die Frauen, die vorwärts drängen. Es sind die Frauen, die es für ihre Kinder besser haben wollen. Es sind in diesen Kulturen nicht so sehr die Männer. Die gehen einer Arbeit nach, aber die Frauen sind für die Kinder zuständig.

Es sind die Frauen, die die Hauptarbeit machen. Kenia – das ist eine Landwirtschaftsgesellschaft, also die Leute leben von kleinen Landwirtschaften. Die Erträge brauchen sie selber. Da gibt es nicht viel zum Verkaufen. So müssen die Männer oft auswärts arbeiten gehen, auf Plantagen zum Beispiel, Zucker- oder Teeplantagen. Sie bringen ein bisschen Geld heim, aber es sind die Frauen, die die ganze Last tragen.

Ich habe das vor allem in dieser Mädchenschule gesehen, wie begierig diese Wissen aufsaugen, das ihnen vermittelt wird, und wie sie eine Berufsbildung anstreben.

Ich habe einfach gesehen: Dort, wo die Frauen gebildet sind, da geht was weiter. Schon daheim hat man das gesehen.

Auch Sie haben schließlich ihren Bildungstraum verwirklicht und haben mit 38 Jahren begonnen Medizin zu studieren. Mit 53 Jahren sind Sie als Ärztin nach Kenia zurückgekehrt. Im Gesundheitszentrum in Entasekera haben Sie ein spannendes Frauenbildungsprogramm gestartet. Was machen die Frauen dort bzw. was machen Sie mit ihnen?

Die Frauen sind unser Hauptklientel mit ihren Kindern. Frauenarbeit ist mir eigentlich immer schon sehr nahe gewesen. Schulbildung und Gesundheit, also Krankenhaus, das sind zwei Paar Schuhe. In der Schule hat man es mit wissbegierigen jungen Menschen zu tun. Im Krankenhaus – da geht es um Leben und Tod. Das sind komplett andere Dimensionen. Ich habe vorher über Beschneidung Bescheid gewusst. Das machen nicht nur die Maasai, sondern auch andere afrikanische Kulturen.

Im Krankenhaus hab ich hautnah erlebt, wenn die Frauen kommen und wenn man die Folgen der Beschneidung sieht. Und welch schwere medizinische Folgen die Frauen erleben, nicht nur bei Geburten. Anfangs war ich fast machtlos, weil es ein Tabu ist, über diese Dinge zu reden – da konnte ich nur mit einer begrenzten Zahl von Mitarbeitern darüber reden.

Mir ist es hauptsächlich um die Beschneidung und um die Zwangsverheiratung der Mädchen gegangen. Man braucht in jeder Kultur ein Thema, wo man einsteigen kann. Man muss wissen, wie kommt man zu den Menschen. Nicht nur physisch, sondern auch herz-, verstandes- und gefühlsmäßig. Am Anfang glaubte ich, es müssen die Männer sein, weil das eine männerdominierte Kultur ist.

Dann habe ich für mich entdeckt, ich muss das Pferd anders aufzäumen. Ich muss mich mit den Frauen beschäftigen und über die Frauen die Männer erreichen. Wenn man ein Projekt machen will, muss man das mit den Frauen machen. Die Frauen treiben das voran.

In Entasekera trägt diese Idee durch Ihre Arbeit schon lange Früchte …

Wir haben uns als Team zusammengesetzt und überlegt, wie wir Frauenkurse veranstalten können, wo man über alle diese Dinge redet. Ich hatte Glück und mir wurden zwei Frauenrechtlerinnen vermittelt, also zwei Maasai-Frauen, die diese Kurse bereits in einer anderen Gegend des Maasai-Landes schon gemacht hatten. Wir starteten ein Pilotprojekt, haben also Frauen eingeladen und mit diesen Frauen Themen entwickelt.

Nach den ersten drei Kursen wussten wir, dass wir das Modul von Fünf-Tage-Seminaren anbieten würden. Neben den Frauenrechte haben wir auch viele medizinische Themen eingebaut: Tuberkulose, HIV, Hygiene, Familienplanung und auch kulturelle Praktiken, die nicht mehr zeitgemäß sind.

Im Maasai-Land ist es wichtig, nicht von Verboten zu reden, denn es ist der Staat, der verbietet. Da hört man nicht hin, der Staat ist weit weg. Aber wir waren da und arbeiteten mit ihnen so nahe, da kann man nicht die Stimme des Staates sein.

Ganz konkret – wie laufen diese Frauenkurse ab, die auf dem Areal des Krankenhauses stattfinden?

Wir bauten ein kleines Bildungszentrum mit 30 Schlafplätzen und einem Seminarraum. Wir haben Speisesaal und Küche, alles zur Selbstversorgung. Die Teilnehmerinnen werden dort untergebracht. Es gibt im Loita-Gebiet, wo wir arbeiten, sechs Großgemeinden. Pro Großgemeinde können fünf Frauen kommen. Beim ersten Kurs haben wir sie selbst ausgesucht, handverlesen. Danach ist es immer so, dass die Frauen, die jetzt im Kurs waren, die nächsten einladen.

Dann muss ich alles einkaufen, die Frauen müssen ja verpflegt werden. Wir besorgen die Ziegen, weil sie auch Fleisch essen sollen. Sonntag ist Abholtag. Dann werden die Teilnehmerinnen geholt. Am Abend startet die Einführung, die Regeln, der Stundenplan, die Themen, die besprochen werden.

Von Montag bis Freitag ist Unterricht – mit einem spannenden Konzept im Hintergrund. Zuerst Rechte der Frauen, wie es auch in der Verfassung steht, dann häusliche Gewalt, da erwähnen sie selbst die Beschneidung – und wie man häuslicher Gewalt entgegenwirkt. Schließlich Kommunikation und wie man mit diesem neuen Wissen umgeht. Dazwischen eingestreut werden medizinische Themen – Symptome der Malaria oder der Tuberkulose usw. Und praktische Tipps, warum es etwa wichtig ist, Wasser aufzukochen. Familienplanung, dass sie die Zahl an Kindern bekommen, die sie selbst bewältigen können.

Ein zentrales Thema ist die Beschneidung. Das geht einen ganzen Tag. Da machen sie sich selbst bewusst – teilweise spielerisch, – dass sie es sind, die sich das gegenseitig antun. Dann kommt die Phase der Erinnerung, in der sie ihre eigene Geschichte erzählen. Alle Geschichten, die sie so verdrängt haben, ein ganzes Leben lang. Tränen sind in der Maasai-Kultur tabu, es darf nicht geweint werden. Weinen ist Aufmüpfigkeit. Die Tränen, die sie ein Leben lang verdrängt haben, werden miteinander und füreinander vergossen.

Da wird ihnen bewusst, was man mit ihnen angestellt hat. Jede Frau hat ihre eigene Geschichte und alle sind sie ähnlich. Wir malen wirklich einen Kreis auf die Tafel mit einer Pfeilrichtung, mit der Gehrichtung, wollen wir nach vorne – natürlich. Und was geschieht, wenn wir jetzt den Kreis durchschneiden – dann ist es eine Linie, dann geht es nicht mehr ununterbrochen im Kreis, sondern voran.

So kann jede Frau definieren, was sie mit ihrer eigenen Linie anfängt, wie lang diese Linie noch sein wird, wann sie stark genug ist, diesen Kreislauf für ihre Töchter und Enkeltöchter zu ändern. Wir beziehen die Buben mit ein. Die müssen ja auch dieses neue Wissen mittragen.

Gelingt die Übertragung in den Alltag der Frauen?

Da erhalten die Frauen Strategien, das ist neues Wissen. Der Tradition nach sind die Frauen weiterhin Kinder, bis sie Großmütter sind, dann haben sie einen neuen Status. Sie müssen also anfangen, mit der Schwiegermutter zu reden. Es kann sein – die laden wir auch ein – dass das bereits passiert ist in diesen Kursen. Das ist wahrscheinlich nicht so schwer, weil die Frauen jetzt entdecken, dass sie alle das gleiche Schicksal tragen. Bald wissen sie: Wir müssen zusammenhalten. Aber dass sie anfangen, mit dem Mann zu reden – das ist noch immer ein Tabu. Die Frau darf nicht ungefragt reden. Im Kurs aber werden sie angeleitet, ihren Ehemännern das zu erzählen, was sie erlebt haben. Der wird am Anfang einmal brüskiert sein und sagen: Was? Halt du gefälligst das Maul.

Emily und Jennifer, die beiden Trainerinnen, zeigen gute Wege auf. Inzwischen wissen die Teilnehmerinnen das selbst. Es sind ja nicht immer neue Frauen, teilweise kommen Frauen drei- bis viermal in dasselbe Seminar, weil sie das weitergeben wollen. Also Gutes kochen, sich nicht entmutigen lassen, wenn ein Oberhaupt, weil du zu frech gewesen bist, mit ihm zu reden, miteinander kleine Gruppen bilden, sie können auch Kleinprojekte starten, sodass sie nicht abhängig sind von jedem Kenia-Shilling des Ehemannes.

Wir haben auch die Männer eingeladen, ihnen das gleiche Programm vorgetragen. Sie haben sofort gesagt, das sind tolle Thema, weitermachen. Mittlerweile haben über tausend Frauen die Seminare besucht.

Was können wir uns alle von den Menschen im Loita-Gebiet abschauen?

Die Geduld, die Gelassenheit, einfach der Zusammenhalt.

Was bedeutet Gesundheit bei den Maasai?

Ich kann auf meine Tiere schauen. Für einen Mann ist es wichtig, dass er auf seine Tiere schauen kann, dass er die Wanderungen machen kann, dass er zu seinen Sitzungen kommt. Bei der Frau ist es, dass sie ihrer Arbeit nachkommt.

Farben, die Sie mit Afrika verbinden?

Grün.

Und welche Gerüche?

Diese rote Erde nach dem Regen, und dann auch dieser Geruch der Bienenstöcke der wilden Bienen, die sie ausräuchern. Das ist auch ein ganz uralter Geruch, den verbinde ich auch mit Afrika.

Gibt es besondere Klänge und Geräusche?

Die Zikaden. Im Westen, wo ich war – die Maasai haben ja keine Instrumente – da waren es die Trommeln. Aber diese Zikaden, die am Abend kommen.

Was macht für sie die Qualität eines guten Lebens aus?

Zufriedenheit. Gesundheit natürlich auch. Und Menschen, mit denen man gut kommunizieren kann. Das ist Qualität, dass es auch Leute gibt, die das hören, also nicht nur die Worte hören, sondern auch den Inhalt, das, was dich bewegt. Das ist schön, wenn man diese gleiche Wellenlänge hat, wenn die Chemie – wie man heute so schön sagt – stimmt. Also dass man nicht nur Small Talk reden kann, sondern wirklich tiefgründig sprechen. Das ist für mich absolute Qualität.

Was bedeutet Heimat für Sie?

Ich bin eine Wandererin zwischen zwei Welten. Das geht bei mir nahtlos. Wenn ich in Kenia bin, dort, wo ich arbeite, da fühle ich mich auch daheim, da bin ich auch momentan zuhause. Da gibt es Menschen, die man gern hat. Es ist ja auch immer die Liebe zu den Menschen, die einen das durchhalten lässt. Das ist mein Team, das sind auch die Frauen.

Aber ich lebe dort und ich habe einen bestimmten Aufgabenbereich. Das mache ich mit Leib und Seele. Aber wenn ich von „daheim“ rede, dann ist das im Zillertal. Ich habe ein Interview gesehen mit dem Franz Klammer, der hat das auf den Punkt gebracht. Der hat gesagt: „Ich lebe in Wien, aber dahaam bin ich in Kärnten.“ – Dahaam – das ist das. Tirol isch lei oans.

Spenden:

Maria Schiestl arbeitete zwölf Jahre in Entasekera, wo sie von Tiroler Spenderinnen und Spendern intensiv unterstützt wurde, vor allem auch über Bruder und Schwester in Not und die Aktion Sterntaler.

Aktuell übernahm das Team um Dr. Isiah Mootian und Dan Leken die Arbeit von Maria in Afrika. Sie brauchen dringend Unterstützung. Wer das Werk von Maria Schiestl erhalten will, kann dies tun unter der Kontonummer mit dem IBAN AT10 3500 0000 0001 4100, Kennwort: Maria Schiestl, Aktion SEI SO FREI. Die Spende ist steuerlich absetzbar

 

Das Interview führte Birgitt Drewes, die Redaktionsleiterin des Reimmichlkalenders, während Marias letztem Aufenthalt in Tirol im Febraur 2017. copyright: Zoller