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Category: Story

Entasekera bereitet sich auf den Virus vor

Corona macht auch vor Kenia nicht Halt. Am 14. März wurde der erste Fall registriert und sofort strikte Maßnahmen wie spezielle Quarantäne Hotels für Einreisende, ein landesweiter Ein- und Ausreisestopp sowie Isolationsstationen gesetzt.

Weitere Einschränkungen sind nächtliche Ausgangssperren von 19.00 – 5.00 Uhr und die Schließung von Schulen / Universitäten sowie überregionale Reiseeinschränkung, um den Virus nicht aufs Land zu tragen, wo die Gesundheits-Infrastruktur schwächer ist.  Auto, Busse etc. dürfen nur mit halber Kapazität fahren (also max. 2) und  inzwischen besteht auch Maskenpflicht. Im Gegensatz zu Europa sind nur 28% der positiven Fälle symptomatisch, 72% haben gar keine Symptome und das führt wiederum dazu, dass die Panik um Corona nicht mehr so ernst genommen wird.

Kenya navigiert die Krise überraschend gut. Die Balance zwischen Virus eindämmen und das Volk am Leben halten ist hier ein besonders schwieriger Akt, wenn man berücksichtig, dass ein Großteil  der Bevölkerung von der täglichen Hand in den Mund lebt und man das Land nicht einfach in den Lockdown schicken kann. Dennoch, das Krisenmanagement und die Informationspolitik sind gut. Stündlich gibt es Corona-Updates und ein tägliches Update des Gesundheitsministeriums. Außerdem haben Kenianer ein enormes Kreativpotential. Mit dem, was man hat möglichst viel zu erreichen, ist hier für viele Überlebensstrategie.

Not macht erfinderisch: Inzwischen gibt es mobile „Corona Aufklärungs Apps“ in der KiSwahili Sprache für einfache Telefone und Regionen mit schlechtem Netz, so dass sich diejenigen mit einfachen Telefonen abseits von Großstädten auch informieren können. Innerhalb weniger Tage änderte sich das Angebot der Straßenverkäufer von USB-Kabeln zu selbstgenähten Gesichtsmasken. Ganze Nähfabriken wurden auf Maskenproduktion umgestellt, überall werden mobile Waschstationen aufgebaut. An den Eingängen zu öffentlichen Gebäuden wird Fieber gemessen, sogar erste erschwingliche Ventilatoren wurden bereits entwickelt. Hier zeigt sich ein Vorteil von verhältnismäßig wenig komplexer Vorschriften und Zertifizierungen.

Als jemand mit aktueller Vorbelastung, ich hatte im Dezember eine Lungen OP, wurde mir von europäischen Ärzten hier vor Ort empfohlen, im Land zu bleiben. Der traurige Grund: nicht weil die Gesundheitsversorgung hier besser ist, sondern weil man mit privater Krankenversicherung hier auf jeden Fall und bevorzugt behandelt wird. Und bislang habe ich es nicht bereut.

Inzwischen gibt es erste Fälle in den Slums von Nairobi, Massentests werden veranlasst, aber die Leute haben Angst… im Fall von „Positiv“ kommen Kosten auf sie zu und sie verlieren unter Umständen den Job, da sie in Isolation müssen. Außerdem gibt es ein großes Stigma gegenüber denjenigen, die den Virus haben. Doch der Coronavirus ist inzwischen nicht mehr die zentrale Sorge allein:

Sicherheit war zunächst die große Befürchtung. Durch das Schließen von Restaurants und Hotels haben bereits viele ihren Job verloren. Öffentliche Verkehrsmittel haben ihre Preise verdoppelt, da sie nur mit halber Kapazität fahren. Ausschreitungen treten nur sehr lokal auf. Die Zahl der Raubüberfälle auf den Straßen ist erwartungsgemäß angestiegen, aber unter Kontrolle. Viele private Initiativen zur Essensverteilung sind entstanden aber inzwischen verboten, da es bei einer Stampede einen Toten gegeben hat. Die Verteilung besteht weiter, aber man organisiert sich nun um. Ebenfalls gibt es zahlreiche Online-Spendenaktionen sowie Essensgutscheine.

Die generelle Versorgung des Landes mit Maismehl, ein zentrales Nahrungsmittel, ist gefährdet. Bis Ende Juni sollen die Vorräte noch reichen.

Die 2. Welle Heuschreckenplage ab Nairobi nördlich gefährdet die Ernte und damit die Versorgung des Landes. Insbesondere die ärmere Bevölkerung.

Die Regenzeit und enorme Wassermassen legen teilweise die Versorgung lahm, weil die Aufbereitungsanlagen diesen Druck nicht mehr bewältigen können. Auch ich bin davon betroffen. Diese Woche kam kein Wasser und die Tanks sind leer. Jedoch können wir extern Wasser kaufen, viele können das nicht. In vielen Landesteilen gibt es Überschwemmungen und Landrutsche, deren Folgen  unter Umständen mehr Leben kosten als Covid.
Erfolgsfaktoren:

Ein Erfolgsfaktor ist der mobile Fortschritt in Kenia. Internet ist hervorragend. Jeder ist mobil, selbst der Bauer auf dem Land. Bargeldlos zahlen ist Alltag, ich persönlich habe seit 8 Wochen kein Bargeld mehr angefasst.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist das Tracking von direkten Kontaktpersonen der Infizierten mit der Hilfe von Geo-tracking. Etwas was in Europa aufgrund des Datenschutzes nicht möglich ist. Hier aber der zentrale Retter der Krise.

Entasekera gehört zum County Narok-Süd. Bis dato wurde in Narok-Süd sowie in einigen anderen Counties auch noch kein Corona Fall registriert. Dennoch bereitet man sich im Health-Center gerade intensiv auf Corona vor. Das ehemalige Bildungszentrum wurde als Isolationsstation umfunktioniert, da zur Zeit dort Corona-bedingt keine Trainings stattfinden dürfen.

Vor dem Krankenhaus sowie an vielen anderen Orten wurden mobile Waschstationen aufgebaut, der Warteraum wurde nach draußen verlagert, die Patienten warten auf dem großen Vorplatz mit entsprechender Distanz.  Vor dem Betreten des Krankenhauses wird bei jedem Fieber gemessen. Verdachtsfälle werden direkt zur Isolation geführt.

Viele Einwohner der Loita Hills Region, zu der Entasekera gehört, arbeiten in den Lodges der naheliegenden Maasai Mara und haben durch das Ausbleiben und Schließen der Lodges ihren Job verloren.

Auch Märkte sind eine zentrale Einnahmequelle der Maasai in Entasekera. Allerdings sind diese inzwischen landesweit verboten.

Auch die unmittelbare Nähe zur Grenze nach Tanzania birgt ein unkalkulierbares Risiko. Tanzania geht wesentlich lockerer mit der Corona-Krise um. Die Fälle sind hier stark angestiegen. Die Landesgrenze ist in diesem Teil schwer kontrollierbar und eher fließend, da weitläufig Buschland. Zudem dürfen sich Maasai aufgrund einer Sonderregelung frei grenzüberschreitend bewegen. Das Schließen der hiesigen Märkte motiviert viele Maasai auf die Märkte in Tansania auszuweichen, was ein großes Ansteckungsrisiko mit sich bringt.

Der Regen macht die bereits im trockenen Zustand herausfordernde Schotterstraße von Narok nach Entasekera fasst unpassierbar. Vorteil der schwierigen Wetterverhältnisse ist, dass es die Menschen ihre Bewegung – und damit die Virusgefahr einschränkt. Für Notfallpatienten und für die Krankenhausversorgung ist das allerdings eher nachteilig.

Auch für das Krankenhaus hat sich die steigende Eigen-Einnahmeentwicklung des letzten Jahres u.a. durch COVID leider verschlechtert. Das Geld in den Haushalten wird aus genannten Gründen knapper, die Wege sind aufgrund des Regens unpassierbar und machen das Krankenhaus für viele unerreichbar und letztendlich hat man sehr viel Angst vor Covid-Ansteckungen im Krankenhaus. Viele Maasais gehen daher wieder ihrer alten Tradition entsprechend zum Wunderheiler.

Aber auch das hartnäckige Festhalten an Traditionen zeigt in dieser Situation seine Vorteile. Maasai haben nie ganz ihr Nomadenleben aufgegeben. Jeder Maasai, ob arm oder reich, hat seinen eigenen „Livestock“, sprich seinen Viehbestand, der ihm Milch und Fleisch sowie eine Einnahmequelle bietet. Und der Regen, der die Straßen zur Zeit zwar unpassierbar macht, hinterlässt grüne Weiden und fruchtbares Ackerland.

Die ökonomischen Auswirkungen auf die Maasai in der Loita Hills Region und dementsprechend auf das Krankenhaus in Entasekera scheinen aus heutiger Sicht eine größere Gefahr darzustellen, als das Virus  selber.

Britta Wulfekammer, Business Coach/Beraterin für Unternehmen mit Sozialer Verantwortung in Kenia und Beauftragte von Sterntaler zur Weiterentwicklung von Dr. Maria Schiestls Krankenstation (1)